Eintracht Frankfurt verliert zwar 1:2 gegen RB Leipzig, saugt aus der Niederlage aber Honig für „Spiel des Jahres“ gegen Straßburg.
Die Partie in Leipzig war gerade ein paar Minuten vorbei, Eintracht Frankfurt hatte nach einer sehr ansprechenden Leistung durchaus unverdient 1:2 (0:1) verloren, da blickte der Torwart Kevin Trapp schon in die nähere Zukunft. Natürlich gingen seine Gedanken in Richtung Europa League-Qualifikation, natürlich hatte er das Rückspiel am kommenden Donnerstag gegen Racing Straßburg im Blick, als er „vom wahrscheinlich wichtigsten Spiel des Jahres“ sprach, das in drei Tagen im Frankfurter Stadtwald anstehe.
Und die Nummer eins richtete gleich einen Appell nach außen wie nach innen: Die ganze Stadt müsse vibrieren, das Stadion ein Tollhaus werden, alle müssten, wie nach dem Viertelfinalhinspiel gegen Benfica Lissabon „positiv gestimmt“ sein. Und er versprach: „Die Mannschaft ist es, ich selbst bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir es schaffen“, jeder im Team denke so, bekundetet der Schlussmann.
Bemerkenswerterweise konnten die Frankfurter Fußballer eine Menge Honig für Donnerstag, da sie gegen die Franzosen einen 0:1-Rückstand aufholen müssen, aus der Niederlage gegen Leipzig saugen. Denn die Hessen lieferten ein richtig gutes Spiel ab, hatten lange, sehr lange die Partie unter Kontrolle, scheiterten allein an ihrer mangelnden Durchschlagskraft (siehe Sport S2). „So, wie wir aufgetreten sind, haben wir das Spiel gefühlt dominiert. Leipzig hat dreimal aufs Tor geschossen, zwei Bälle waren drin“, fasste Trapp die 90 Minuten bei hochsommerlichen Temperaturen korrekt zusammen.
Frühe Führung für Leipzig
Früh waren die Sachsen in Führung gegangen, gleich mit dem ersten Angriff. Nationalspieler Timo Werner, der im ganzen Spiel nur zwei gute Aktionen hatte, erzielte nach einer Kopfballverlängerung von Yussuf Poulsen das 1:0 (10.). Trapp tauchte bei diesem Drehschuss zu spät ins bedrohte Ecke, womöglich hätte er den Ball an einem guten Tag abwehren können. Kurz vor Spielbeginn war übrigens bekanntgegeben worden, dass Timo Werner seinen Kontrakt bei RB Leipzig nach monatelangem Tauziehen bis 2023 verlängert hat. „Ich bin darüber sehr froh“, kommentierte RB-Coach Julian Nagelsmann die Unterschrift des 23-Jährigen.
Den Rückstand freilich steckten die Frankfurter erstaunlich gelassen weg, sie hatten weiterhin mehr vom Spiel, waren optisch überlegen. Und hatten sogar den ausgewiesenen Taktikfuchs Nagelsmann überrascht. Der Coach hatte mit vielen, langen Chipbällen der Frankfurter gerechnet, doch sie setzten viel mehr auf ein gepflegtes Kurzpassspiel. „Wir haben gezeigt, dass wir Fußball spielen können“, fand auch Makoto Hasebe, der Routinier, und auch ihm hat die Vorstellung von Leipzig neues Selbstvertrauen gegeben. „Ich habe jetzt ein sehr gutes Gefühl für Donnerstag.“ Und der 35 Jahre alte Japaner nennt einen weiteren Grund, warum sich die Frankfurter Eintracht am gestrigen Sonntag deutlich kompakter, harmonischer, besser präsentiert hat: „Heute haben alle für die Mannschaft gearbeitet, alle, Abwehr, Mittelfeld, Sturm. Das war in Straßburg noch anders.“ Das war eine kaum verhüllte Spitze gegen Linksaußen Ante Rebic, der im Elsass eine indisponierte Leistung an der Tag gelegt hatte. Rebic gehörte wie auch Mijat Gacinovic gestern nicht dem 20 Mann umfassenden Kader an.
Nagelsmann lobt die Eintracht
Lob bekam das Frankfurter Team sogar vom gegnerischen Trainer, der ungewohnt klar von einem „glücklichen Sieg“ seiner Mannschaft sprach, „ein Unentschieden wäre für Frankfurt verdient gewesen“, sagte Nagelsmann. Der Frankfurter Sportdirektor Bruno Hübner überkam hinterher erstmals das Gefühl, „dass wir hier etwas liegen gelassen haben“. Die Eintracht hatte 54 Prozent Ballbesitz, 85 Prozent ihrer Pässe kamen an. „Spiel und Auftreten waren gut“, ergänzte Trapp, „nur das Ergebnis passte nicht.“
Der Frankfurter Trainer Adi Hütter hatte sein Team gleich auf sechs Positionen gegenüber dem Straßburg-Spiel verändert. Vor allem hatte er endlich wieder zwei Spitzen (Goncalo Paciencia und Dejan Joveljic) nominiert und den erneut gut spielenden Daichi Kamada dahinter. Das führte zu einer spürbaren Belebung des Spiels, zumal auch Sebastien Roder, erstmals seit seiner Knorpel-Operation in der Startelf, enorm fleißig und klug am Schwungrad drehte. Langsam nähert sich Rode wieder seiner Normalform, vieles lief über den defensiven Mittelfeldakteur, der bester Mann der Hessen war. Nach 80 Minuten musste er vom Feld, nicht weil er nach einem Cut an der Augenbraue nicht mehr weitermachen konnte, sondern weil im Oberschenkel etwas zwickte und Hütter kein Risiko eingehen wollte. Bis Donnerstag müsste Rode wieder auf dem Damm sein.
Probleme im Sturm
Aber auch Rode konnte das große Frankfurter Problem im Sturm nicht lösen. Der Eintracht fehlt, seit den Abgängen von Luka Jovic und Sebastien Haller, Durchschlagskraft, Wucht und Torgefahr im Angriff. Möglichkeiten hatten sich den Hessen geboten, Filip Kostic (6.), Paciencia (27., 65.) oder Joveljic (43., 72.) nutzten sie nicht. „Die letzte Entschlossenheit hat gefehlt“, analysierte Trainer Hütter nicht zu Unrecht. Dass Bas Dost heute endlich in Frankfurt erwartet wird und seinen Medizin-Check absolviert, freut den Fußballlehrer ganz besonders. „Bas Dost hätte uns heute schon gutgetan.“ Und nicht wenige waren nach 90 Minuten der Meinung, in einer anderen, besseren Sturmbesetzung wäre Eintracht Frankfurt als Sieger vom Platz gegangen. „Leipzig hat aus wenigen Möglichkeiten viel Ertrag geholt“, sagte Hütter, die Eintracht aus viel zu wenig.
Immerhin stimmte wieder Moral und Mentalität. Denn nach dem 0:2 durch einen Volleyschuss von Poulsen (80.) schafften die Frankfurter tatsächlich noch einen Treffer, Paciencia drückte eine Hereingabe von Timothy Chandler über die Linie (90.). Doch zum Punktgewinn reichte die Zeit nicht mehr, als Muntermacher für größere Aufgaben aber hatte zuvor aber schon die ganze Partie getaugt.