1. Titel nach 30 Jahren - Spiel für die Ewigkeit, direkt nach Europa & glanzvoller Kovac-Abschied
Als die Fans der Eintracht am Ende eines denkwürdigen Pokal-Abends seinen Namen skandierten, flossen bei Niko Kovac Tränen der Rührung. Schon zuvor war der Trainer der Hessen nach dem Happy End seiner gut zweijährigen Amtszeit völlig losgelöst in die Jubeltraube seiner Spieler eingetaucht. Mit dem 3:1-Sensationssieg gegen Bayern München und dem ersten Pokal-Triumph der Hessen seit 30 Jahren verabschiedete sich der 46 Jahre alte Fußball-Lehrer mit Glanz und Gloria zu seinem neuen Arbeitgeber. Auf eine Strafe verzichtete Niko Kovac großzügig. Obwohl er heftig zu Boden gerissen worden war, von seinem eigenen Spieler. Ante Rebic, unser Pokal-Held, aber war an diesem Abend einfach nicht zu stoppen, nicht einmal von seinem größten Förderer, dem scheidenden Trainer der SGE. „Ich habe es versucht, aber er ist eben doch ein Koloss“, berichtete Kovac augenzwinkernd von dem Moment, in dem das Wunder vollbracht war und in dem ihm der Mann mit dem meisten Anteil daran außer Rand und Band um den Hals gefallen war.
Bilder vom Pokaltraum aus Berlin gibt´s hier.
Das war auch nur nett gemeint – Rebic wusste, an wen er sich zu wenden hatte. „Ich habe Niko einfach Danke gesagt. Danke für die Möglichkeit, Tore zu machen und den Pokal zu gewinnen“, berichtete der 24-jährige Kroate hinterher, sonst machte er keine großen Worte, das ist auch nicht sein Fall. Dafür waren nach dem sagenhaften Pokal-Triumph andere zuständig, vor allem Kevin-Prince Boateng, „Wir haben eine Maschine. Was der gestern abgerissen hat, unglaublich“, rief der Frankfurter An- und Wortführer den Fans bei der Pokalsiegerparty tags drauf auf dem Römerberg zu, deutete nickend auf den neben ihm stehenden Rebic und plauderte launig ein in der Kabine besprochenes Erfolgsgeheimnis aus. „Er hat in seinem Super-Deutsch zu mir gesagt: Bruder, schlag den Ball lang. Da habe ich ihm gesagt: Bruder, ich schlag den Ball lang.“ So einfach kann Fußball sein: Vor dem 1:0 in der elften Minute eroberte Rebic die Kugel und verwandelte den Doppelpass mit dem in der Spitze glänzenden Boateng, zehn Minuten vor Schluss besorgte er nach Danny da Costas nach vorne gedroschenem Ball das 2:1. Den Nationalverteidigern Mats Hummels und Niklas Süle nahm er etliche Meter ab, setzte sich wuchtig durch und hob den Ball gefühlvoll an Bayern-Torwart Sven Ulreich vorbei. „Eine unfassbare Energieleistung“, schwärmte Sportvorstand Fredi Bobic. Für ihren großen Coup benötigte die Eintracht Glück, dass die Bayern nicht öfter trafen als beim 1:1 durch Robert Lewandowski (53.), auch dass diese keinen späten Elfmeter bekamen, sondern stattdessen Mijat Gacinovic mit dem 3:1 endgültig alles entschied. Sie verdiente sich das aber auch, mit Mut, Leidenschaft und vollem Einsatz – und einem überragenden Rebic.
Er hatte das Mikrofon schon eine Weile nicht mehr aus der Hand gelassen, aber eines wollte er unbedingt noch sagen. „Ich liebe es zu reden, sorry. Und ich bin ein bisschen betrunken“, entschuldigte sich Kevin-Prince Boateng vorab, aber das hätte er gar nicht tun müssen. Dem Anführer der Frankfurter Eintracht am Samstagabend auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions und Wortführer am Sonntagnachmittag auf dem Römerbalkon gelang am Pfingstwochenende fast alles, und so brachte er auch die heikle Chefsache auf den Punkt, auf seine Weise. „Wir alle haben gedacht: Was macht der? Geht zu den Bayern? Aber er hat uns den Pokalsieg gebracht und zwei Jahre überragende Arbeit vergoldet“, fasste Boateng zusammen und folgerte kurzerhand unter dem Jubel der abertausend Anhänger, die sich über den Römerberg und drumherum verteilt hatten: „Jetzt kann er zu den Bayern gehen.“
Da lachte auch Niko Kovac, dem diese Worte galten. „Ich bin jetzt weg, aber ich werde diesen tollen Club immer im Herzen tragen“, rief der scheidende Trainer, nach einer kinoreifen Versöhnung im großen Stil, voll brisanter Handlungssträngen, mit dem Happy End im Finale gegen den vermeintlich übermächtigen FC Bayern. Sein von einigen Scheinheiligkeiten begleiteter Wechsel zu den Münchner Rekordmeister hatte sein bis dahin hohes Ansehen unter vielen Fans auf einen Schlag in tiefe Enttäuschung verwandelt. Mit dem Coup seines alten Clubs gegen den neuen aber bescherte er sich einen krönenden Abschluss, der alles andere überstrahlte. „Wenn man als Underdog einen solchen Titel holt, ist das schon beachtlich“, durfte der 46-jährige Kroate mit Berliner Wurzeln zu Recht für sich in Anspruch nehmen. Zumal die sensationellen Ereignisse dieses Samstagabends im Olympiastadion, wo seine eigene Profikarriere begonnen hatte, nicht zuletzt dem Trainer zuzuschreiben waren. In den nach einer lange überragenden Saison so enttäuschenden letzten Bundesliga-Wochen hatte er selbst öfter daneben gelegen. In Berlin aber gingen alle Pläne auf. Etwa die Versetzung Boatengs in die Spitze oder die Abwehrvarianten mit dem ebenso überragenden Makoto Hasebe, der erst ein paar Meter vor und später mitten in der letzten Reihe alle Löcher stopfte. Die Aufstellung stimmte ebenso wie die Einstellung. „Der Erfolg gehört zu 90 Prozent ihm. Seine Ansprache hat uns wieder auf den Punkt motiviert“, berichtete Boateng. Das beeindruckte auch den alten Freund, Gegner und künftigen Kollegen: „Niko hat das Team perfekt eingestellt und die richtigen Knöpfe gedrückt“, lobte Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der Kovac nach München geholt hatte.